Holzlöffel im Mittelalter
Die Entwicklung des Holzlöffels im Laufe der Geschichte.
Der frühe Mensch wird sein Essen wohl nur mit den Fingern oder der hohlen Hand zu sich genommen haben. Doch im Laufe der Evolution wurden schließlich Stöckchen und Knochen, Schnecken und Muschelschalen gebraucht; aus letzteren entwickelte sich schließlich schon recht früh in der Menschheitsgeschichte der Löffel .Das Wort Löffel stammt dabei etymologisch vom althochdeutschen Wort „Laffe“ her, also der Lippe, bzw. für “Laffen“, was so viel wie lecken oder schlürfen bedeutet. Noch heute bezeichnet "Laffe" den runden Teil des Löffels.
Da es bis in die Neuzeit keine Gabeln als Besteck gab, kam dem Löffel neben dem Messer seit jeher große Bedeutung im täglichen Leben zu.
Im Laufe der Geschichte veränderte der Löffel von Region zu Region Form und Gestalt unzählige Male, je nach Geschmack und Mode der jeweiligen Zeit. Er wurde mal kurz und dünn, dann wieder breit und dick und umgekehrt.
Germanen, Slawen und Wikinger gebrauchten häufig herrlich verzierte Löffel mit aufwändigen Schnitzereien in Form von Flechtwerk und Tierköpfen, denn die winterlichen Abende am heimischen Herdfeuer waren lang, und man hatte viel Zeit zum Müßiggang. So schnitzte sich in der Regel jeder seinen eigenen Löffel nach Geschmack und Können.
Erst im Mittelalter entwickelte sich im städtischen Umfeld ein regelrechter Beruf des Löffelschnitzers, ursprünglich als Nebengewerbe des Drechslers; aber auch die arme Landbevölkerung verdiente sich so ein Zubrot, indem sie ihre hölzernen Erzeugnisse in der Stadt verkaufte. Im späten Mittelalter scheint es an einigen Orten schließlich bereits zu einer regelrechten Massenfertigung von Löffeln mit einheitlichen Formen und Maßen gekommen zu sein.
Im späten Mittelalter war die am häufigsten gebrauchte Form der kurzstielige Löffel mit einem kurzen, kräftigen Stiel und großer, leicht ovaler Laffe. Da mit dem Löffel seinerzeit zumeist Brei gegessen wurde, war diese Form optimal geeignet. Suppen hingegen wurden direkt aus der Schale getrunken. Da der Löffel im Mittelalter zum persönlichen Besitz gehörte und man ihn praktisch stets bei sich hatte, waren oftmals sogar kleine Besitzmarken in das Holz geschnitzt.
Daneben gab es auch langstielige Löffel mit einer meist rundlichen Laffe. Vermutlich dienten diese vorwiegend als Rührlöffel für die Arbeit in der Küche.
Löffel aus Metall kamen erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts in größerem Umfang in Gebrauch, doch der Holzlöffel blieb noch lange Zeit, in einigen Regionen sogar bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts, das wichtigste Werkzeug für die tägliche Nahrungsaufnahme.
Das einfache Volk besaß Holzlöffel, während besser gestellte Bürger und der Adel von Zinn- oder gar Silberlöffeln speisten. Bekannte Sprichwörter wie „den Löffel abgeben“ zeugen davon, dass der Löffel damals tatsächlich weitervererbt wurde, wenn jemand starb! Bis in die Neuzeit hinein blieb er ein kostbarer, persönlicher Besitzgegenstand. Und auch wer heutzutage „mit einem silbernen Löffel im Mund geboren wird“, hat (augenscheinlich) den Wohlstand schon mit in die Wiege gelegt bekommen.
Holzlöffel aus dem Mittelalter im Spiegel der archäologischer Stadtgrabung
Eine Vielzahl von Holzlöffeln aus dem Mittealter hat sich bis heute bestens erhalten. Da Gabeln zu den Mahlzeiten noch nicht bekannt waren, war der Löffel neben dem Messer das einzige Speisebesteck. Beides war ureigensten Besitz der betreffenden Person, und es war im Mittelalter einfach üblich, dass der Gast sein eigenes Besteck mit zur Tafel brachte.Die typischen Löffel des 13. bis 15. Jahrhunderts hatten besonders in Süddeutschland zumeist einen stark verkürzten Griff mit ovaler Laffe, doch kommen durchaus auch langstielige Löffel mit spitzovaler Laffe im Fundbild vor.
Neben den berühmten Löffel-Funden aus Bad Windsheim sind auch eine große Anzahl gut erhaltener Holzfunde aus den Ausgrabungen in Freiberg, Konstanz, Nürnberg und Schleswig erhalten. Sie vermitteln uns heute ein hervorragendes Bild der Holzlöffeln des Mittelalters.
Hölzerne Löffel wurden im Mittelalter sowohl in sehr schlichten und einfachen Formen, als auch in hochwertiger, sorgfältiger Handwerkstechnik gefertigt. So ist aus dem 13. und 14. Jahrhundert bereits der spezialisierte Handwerksberuf des Löfflers oder Löffelschneiders schriftlich belegt, wobei auf eine einheitlichen Abmessung der Löffel, solide Ausführung und eine gute Glättung des Holzes Wert gelegt wurde.
Neben dem Schnitzmesser kamen hier auch andere Werkzeuge zum Einsatz, wie Holzspalter, Beil und Dechsel, sowie Hohlmesser zum Schnitzen der Laffe und Materialien zum Glätten der Holzoberfläche, wie z.B. der raue Stiel des Ackerschachtelhalms.
Die Löffel aus Bad Windsheim
Bei Erdarbeiten für den Neubau einer Bäckerei stieß man in Bad Windsheim auf eine große Abortgrube des ehemaligen Spitals zu Windsheim und konnte trotz schwieriger Umstände eine große Anzahl mittelalterlicher Gegenstände vom Ende des 15. Jh. bergen.Hier kamen auch zehn, zum Großteil hervorragend erhaltene, Holzlöffel aus dem späten Mittelalter zum Vorschein, die hauptsächlich aus Ahorn, aber auch aus Roterle, Nussbaum, Eibe und Esche gefertigt waren. Alle Löffel aus Windsheim waren hochwertig verarbeitet und sorgfältig geglättet und zum Teil mit aufwändigen Schnitzereien versehen.
Literaturhinweis: Der Windsheimer Spitalfund aus der Zeit um 1500, Ein Dokument reichsstädtischer Kulturgeschichte des Reformationszeitalters, Walter Janssen, Verlag des Germanischen Nationalmuseums 1995, ISBN 3-926982-38-1
Die Löffel-Funde aus Konstanz
Die Konstanzer Funde stammen aus der Zeit des späten 13. Jh. bis zum 16. Jh., und es hat sich hier die beeindruckend Zahl von nicht weniger als 4275 gefundenen Holzgegenständen erhalten, von denen alleine 94 Löffel waren.Ahorn und Eibe dominieren auch hier, doch darüber hinaus wurde für Löffel und Spatel auch Esche, Buchsbaum, Buche und Fichte verwendet. Für acht Spatel und einen Löffel wurde Nadelholz von Fichte und Tanne verwendet, wobei im Fundbild erkennbar war, dass die hochwertigeren Löffel aus Ahorn und Eibe gefertigt wurden.
Literaturhinweis: Holzfunde aus Freiburg und Konstanz, Ulrich Müller, Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag Stuttgart 1996, ISBN 3-8062-1266-X
Die Löffel-Funde aus Freiburg
Alleine 1940 hölzerne Kleinfunde aus dem Mittelalter wurden in der Latrine des Freiburger Augustinerklosters zu Tage gefördert, die vom späten 13. bis in das16. Jahrhundert datieren. Darunter waren 20 Holzlöffel, bei denen Ahorn und Eibe als Material dominierte. Doch es wurden auch Löffel aus Buchsbaum, Esche und Buche gebraucht.Literaturhinweis: Holzfunde aus Freiburg und Konstanz, Ulrich Müller, Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag Stuttgart 1996, ISBN 3-8062-1266-X
Die Löffel-Funde aus Freiberg
In Freiberg wurden etwa 500 Holzgegenstände aus dem Mittelalter gefunden, die auf die Zeit vom 13. Jahrhundert bis in die Neuzeit datieren.Neben zahlreichen Schalen und Tellern wurden auch 16 Löffel gefunden, darunter langstielige Löffel aus Ahorn, Eichen und Wachholder von bis zu 30 cm Länge und mit breiter, rundlicher und zum Teil dickwandiger Laffe.
Weitaus häufiger wurden auch hier Esslöffel mit dem für das Mittelalter typischen kurzen Stil gefunden, in der Mehrheit aus Ahornholz, doch einige wenige Exemplare auch aus Buchsbaum, Wacholder, Eiche und Tanne gefertigt.
Literaturhinweise: Stadtarchäologie in Freiberg - Holzfunde, von Arndt Gühne, Veröffentlichungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Dresden, Band 22, Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1991, ISBN 3-326-00644-6
Die Löffel-Funde aus Schleswig
In Schleswig wurde Mitte der 1980er Jahre bei umfangreichen Grabungen eine große Anzahl an Holzgegenständen gefunden, darunter viele Löffel, Löffelspatel, und Kellen aus dem 11. bis 13 Jh. Insgesamt wurden alleine in Schleswig 62 Löffel aus Holz gefunden. Darunter waren sowohl Esslöffel, als auch größere Löffel, die man wohl zum Kochen oder Schöpfen gebrauchte.Am Häufigsten wurde Ahorn verwendet, denn dieses Holz ist ausgesprochen hart und haltbar. Doch selbst Löffel aus so weichem Holz wie Holunder wurden zahlreich gefunden, und auch Obsthölzer und Eibe war in Gebrauch. Erle, Esche, Buchsbaum, Hainbuche, Kiefer und Pfaffenhut dagegen wurden eher selten verwendet.
Bis auf ein einzelnes Exemplar aus dem späten 13. Jh. mit einem bemerkenswerten Stiel in Drachenform, sind die mittelalterlichen Löffel aus Schleswig, egal aus welchem Jahrhundert, alle sehr schlicht und haben so gut wie keine Verzierungen.
Literaturhinweis: Ausgrabungen in Schleswig - Berichte und Studien 17, Holzfunde aus dem mittelalterlichen Schleswig, von Volker Vogel, Wachholtz Verlag, Neumünster 2006, ISBN 3-529-01467-2
Die Löffel-Funde aus Leipzig
In Leipzig wurde 2008 in der Nikolaistraße auf dem ehemaligen Gelände der Firma Interpelz die alte Bebauung des historischen Schustergäschens archäologisch untersucht. Dabei wurden in einer ehemaligen Latrine eine Reihe von Keramiken und Holzfunden zu Tage gefördert, darunter einige sehr gut erhaltene Holzlöffel aus dem späten Mittelalter.Weitere Löffel-Funde aus dem Mittelalter in städtischen Grabungen
Würzburg: Löffel aus BucheFrankfurt am Main: Löffel aus Buche
Magdeburg: Löffel aus Buche
Futterkamp: Löffel aus Hartriegel
Elisenhof: Löffel aus Eiche
Höxter: Löffel aus Wacholder
Groß Raden: Löffel überwiegend aus Obstholz
Mülenen (Schweiz): Löffel aus Ahorn und Buchsbaum
Charavines (Frankreich): Löffel aus Ahorn und Buchsbaum
Hull (England): Löffel aus Eiche
Cork (Irland): Vorwiegend Eiben-Löffel
Lund (Schweden): Löffel aus Birke
Oslo (Norwegen): Primär Löffel aus Ahorn, Eibe und Pfaffenhut
Novograd (Russland): Hauptsächlich Löffel aus Ahorn und Pfaffenhut
Szolnok (Ungarn): Bevorzugt Löffel aus Buchsbaum
Resümee
Beim Vergleich aller Löffelfunde aus dem Mittelalter kommt man zu dem Schluss, dass das überwiegend gebrauchte Material für Holzlöffel zwischen dem 12. und 15. Jh. Ahornholz gewesen ist, gefolgt von dem (eigentlich giftigen) Holz der Eibe, wobei beide eher für hochwertige Löffel verwendet wurde, während die zum Teil sehr einfach gearbeitete Gebrauchslöffeln aus einer Vielzahl anderer zur Verfügung stehender Hölzer vermutlich in Heimarbeit gefertigt wurden.
Vielleicht ist das in Verbindung mit dem sich im Mittelalter herausbildenden Beruf des Löffelschnitzers zu sehen - wer sich einen Löffel schnitzen ließ, wählte dafür eine edleres und wohl auch haltbareres Holz. Für selbst geschnitzte Löffel nahm man das Holz, das gerade zur Verfügung war
Als Primärquelle diente der Aufsatz "Mittelalterliche und frühneuzeitliche Löffelfunde in Deutschland" von Andreas Betz auf www.anno1347.de
Weitere Quellen:
http://www.olvikthing.org/wp-content/uploads/2012/07/VA-FG-pgs-18-23-Spoons-Spoon-Boxes1.pdf
http://www.larsdatter.com/spoons.htm
http://www.unimus.no/foto/#/search?q=%C3%B8se%20oseberg
https://www.peraperis.com/blog/realia-sachkultur-antike-mittelalter/loeffel-spatel-wikinger.html
- Schriften zur Ur- und Frühgeschichte 39 / Groß Raden ein slawischer Tempelort - Ewald Schuldt
- Der Windsheimer Spittalfund - Walter Janssen
- Holzfunde aus dem mittelalterlichen Schleswig -
- Stadtarchäologie in Freiberg. Holzfunde - Arndt Gühne
- The wooden Artefacts from Medieval Novgorod - B.A. Kolchin
- Die Holzfunde von Haithabu -
- Mittelalterliche Holzfunde aus Amsterdam - Jan M. Baart
- Holzgefäße vom Neolithikum bis zum späten Mittelalter - Torsten Capelle
- Essen und Trinken Im Mittelalter - Anne Schulz
- Altes bäuerliches Holzgerät München 1979 - G. Benker
- Holzgeschirr und Holzgerät aus Lüneburger Schwindgruben, ZAM 10, S. 85 - 100 - F. Laux
- Möglichkeiten der Auswertung hölzerner Kleinfunde des späten Mittelalters in Zentraleuropa - Ulrich Müller
- Wood and Woodworking in Anglo-Scandinavian and Medieval York - Carole Morris
- Medieval Woodcarvings in Sweden - Arom Anderson
Verfasst von Peer Carstens, Dippoldiswalde 2011