Die Rüstung der Normannen
Über die Rüstung der Normannen zur Zeit der Eroberung Englands
Aus normannischer Zeit sind eine Vielzahl von Bildzeugnissen und Funden erhalten, die uns heute ein gutes Bild über die Rüstung der normannischen Soldaten im 11. und frühen 12. Jh. zu geben vermögen. Typisch für das Erscheinungsbild der Normannen waren vor allem Kettenhemd, Nasalhelm und Tropfenschild. Diese wollen wir uns ein wenig näher ansehen.Der Helm der Normannen
Typisch für die Normannen war der sogenannte Nasalhelm, ein konisch geformter Helm mit ausgezogenem oder angesetztem Nasenschutz wie er nicht nur auf dem Teppich von Bajeux und zahlreichen anderen Bildwerken sondern auch im archäologischen Fundmaterial jener Zeit gut belegt ist.Der normannische Nasalhelm unterscheidet sich deutlich von den früheren Helmen der Wikinger, bei denen der aus mehreren Teilen zusammengesetzte Spangenhelm, sowie der sogenannte Brillenhelm mit Gesichtsschutz und der Spitzovale Helm ohne Nasal verbreitet waren, wobei aus der Wikingerzeit generell aber nur sehr wenig Informationen über den Gebrauch von Helmen zu Verfügung stehen.
Neben aus einem Stück getriebenen Helmen gab es auch bei den Normannen aus mehreren Teilen zusammengesetzte Helme und auch noch den Spangenhelm.
Hiervon ist aus normannischer Zeit zwar kein Originalfund erhalten, doch es existieren eine ganze Reihe von Abbildungen, welche die Häufigkeit dieses Helmtyps im 11. und 12. Jh. dokumentieren.
Daneben gab es auch halbrund geformte Helme sowie Helme, die nicht spitz oval, sondern mit etwas nach vorne ausgezogener Spitze versehen waren, wie es von antiken Bildzeugnissen bekannt ist, und die als phrygischen Form bezeichnet werden.
Am Ende des Nasals konnte sich auch ein Haken befinden, in welchen der Gesichtsschutz eingehängt werden konnte sowie umlaufende Löcher für ein Kettengeflecht das den Nacken schützte. Wangenklappen traten in normannischer Zeit hingegen nicht mehr auf.
Der Schild der Normannen
War bei den Wikingern noch ausschließlich der Rundschild in Gebrauch, so wurden bei den Normannen im 11. Jh. neben diesem noch zwei weitere Schildtypen verwende, der ovale Schild und der Tropfenschild.Die Rundschilde waren entweder flach oder gewölbt, wobei der flache Schild in der Mitte einen Schildbuckel, der die Hand an der rückseitigen Schildfessel schützte. Gewölbte Rundschilde trugen hingegen häufig keinen Schildbuckel.
Der Rundschild war bereits seit germanischer Zeit über mehrere Jahrhunderte bekannt und wurde noch bis in das 12. Jh. und darüber hinaus verwendet. Der Schild konnte mit Leder, Leinen oder Rohhaut bezogen und bemalt sein und war zwischen 40 und 100 cm groß bei einer Stärke von 5 bis 10 mm, wobei die Dicke des Schildes zum Rand hin abnahm.
Der Rand der Rundschilde war zuweilen mit Metall verstärkt doch auch eine zusätzliche Verstärkung mit Leder oder Rohhaut ist denkbar, wie es zum Beispiel beim ovalen Schild von Trondheim belegt ist, der gewissermaßen einen Zwischschenschritt zwischen Rundschild und Tropfenschild darstellte.
Der Tropfenschild hingegen war ein länglicher, sich nach unten verjüngender Schild mit runder Oberkante und trat etwa Mitte des 11. Jh. in Nordwesteuropa erstmals in Erscheinung bis er gegen Ende des 11. und im 12. Jh. seine größte Verbreitung erreichte.
Der Tropfenschild setzte sich vor allem als Schild der normannischen Reiterei durch, da er die Flanke und Beine besser als der Rundschild zu schützen vermochte, leistete aber auch im Schildwall bei der Infanterie gute Dienste.
Der Normannenschild konnte eine länglich schlanke bis bauchige oder eiförmige Gestalt haben, wie zahlreiche Bildquellen belegen. Im Gegensatz zu den beiden anderen Schildtypen ist jedoch kein einziges Original eines Normannenschildes erhalten geblieben.
Die Schilde waren bei einer Stärke von 1,3 bis 1,5 cm gemeinhin so um die 100 x 50 bis 120 x 60 cm groß, hatten also in Bezug auf Höhe zu Seite in etwa ein Verhältnis von 2:1.
Zu Beginn war der Tropfenschild vermutlich noch weitgehend flach und war mit einem Schildbuckel aus Eisen oder Bronze versehen, der Schild wurde über die Zeit jedoch immer mehr nach innen gebogen und verlor den als Handschutz sinnlos gewordenen Buckel zum Teil ganz.
Es wurden sowohl große wie auch deutlich kleinere Buckel als auf den Rundschilden aufgebracht, wobei die Ränder der Buckel entweder schlicht oder mit Durchbrüchen und Aussparungen verziert sein konnten und halbkugelig oder spitz zulaufend gestaltet waren.
Auf der Rückseite des Tropfenschildes befand sich kreuzweise oder im Geviert angebrachte Lederriemen mit einer Schulterschlaufen, die entweder direkt auf den Schildkörper aufgenietet oder in auf dem Schild befindlichen Ringen befestigt waren.
So konnte der Schild an Arm und Hals getragen und sein Gewicht optimal auf den Körper verteilt werden. Häufig sind die Nietköpfe der Befestigung auf der Vorderseite des Schildes deutlich zu erkennen.
Der normannische Schild war vermutlich aus in Richtung der Längsachse aneinandergefügten Holzbrettern gefertigt und bestand wohl zumeist aus dem leichten Holz der Linde oder Pappel Lindenholz. Aber auch Erle und Eiche wären denkbar.
Manche Schilde waren mit Leder, Rohhaut oder Leinen bespannt und zum Teil bemalt. Byzantinische Quellen lassen zwar auch eine Fertigung aus dünnen, miteinander verleimten Holzschichten möglich erscheinen, was allerdings nicht so recht zur Fertigungstradition europäischer Schilde passt.
Die Mehrheit der in den Bildquellen abgebildeten Schilde hat einen deutlich abgesetzten Rand, was auf eine entsprechende Randverstärkung hinweist.
Da zwar Buckel, Nieten und Metallverzierungen erhalten geblieben sind, jedoch keine Funde von Randverstärkungen aus Metall, dürften diese vermutlich aus Leder oder Rohhaut gewesen sein. Diese Verstärkung wurde vermutlich entweder aufgenagelt oder eher aufgenäht, wie es am Trondheimschild und früheren Rundschilden nachgewiesen ist,
Der Großteil der Schilde auf zeitgenössischen Abbildungen ist einfarbig und allenfalls mit einem farblich abgesetzten Rand versehen. Zudem gibt es aber auch eine ganze Reihe von Bildzeugnissen, die eine Bemalung in Form von Kreuzen, Balken, Streifen, Linien, gezackte Rändern, Fabeltieren, Blumen, umlaufenden Reihen aus Punkten oder rankenförmigen Mustern aufweisen. Schriftzüge oder Symbole sind als Verzierung nicht bekannt denn Wappen gab es zu dieser Zeit noch nicht.
Das Kettenhemd der Normannen
War das Kettenhemd zur Zeit der Wikinger ein nur einigen wenigen Wohlhabenden vorbehalten, so änderte sich dieses in normannischer Zeit sehr und Kettenhemden wurden von einem Großteil der Reiter und Fußtruppen getragen.So gibt es auch kaum Funde von Kettenhemden vor dem 11. Jh. Für das Kettenhemd waren verschiedene Begriffe üblich wie Kettenpanzer, Ringbrünne, Ringelhemd oder Hauberg.
Bekannt sind zum Beispiel das sogenannten Gjermundbuhemd und das Kettenhemd des heiligen Wenzels aus Prag, beide aus dem 10. Jh. wobei das erstere extrem kurz, das Zweite eher lang ausfällt.
Das Gjermundbuhemd war dabei aus gestanzten Ringen, das Wenzelshemd aus genieteten Ringen gefertigt, die einen rundlichen bis quadratischen Querschnitt und einen Durchmesser von 7 bis 8 mm hatten. In der Regel waren Ringgrößen von 6 bis 10 mm verbreitet bei einer Ringstärke von 1,5 bis 2,5 mm, wobei die Ringe immer verschweißt oder vernietet waren.
Neben dem berühmten Teppich von Bayeux, auf dem eine Vielzahl von Kettenhemden abgebildet ist, gibt es auch einige weitere Bildzeugnisse über das Kettenhemd im 11. Jh. Übereinstimmend scheinen die normannischen Kettenhemden in etwa Knie- und Ellbogen lang gewesen zu sein, die Ärmel konnten aber auch bis zum Handgelenk reichen.
Man muss dabei allerdings berücksichtigen, dass der Teppich von Bayeux erst rund 80 Jahre nach der Schlacht von Hastings angefertigt wurde und somit eher ein Bild für etwas spätere Rüstungen abgibt.
Auch wenn Funde und Bildquellen nur wenig Auskunft dazu geben ist dennoch stark anzunehmen, dass zumindest die längeren Kettenhemden mit Schlitzen versehen waren, wobei sich diese bei der Reiterei mit Sicherheit vorne und hinten befanden, um den Reiter nicht zu behindern und die Flanke zu schützen.
Ein Kettenschutz an Händen, Beinen und Füßen tritt in den Bildquellen zur Zeit der Eroberung Englands kaum auf und dürfte nur wenig verbreitet gewesen sein. Erst spätere Quellen zeigen solchen Schutz in größerer Häufigkeit. Auf dem Teppich von Bayeux tragen jedenfalls nur William der Eroberer und Bischof Odo Kettenbeinlinge.
Ungewöhnlich wirkt auch der seitliche Schlitz für das Schwert, der in der zweiten Hälfte des 11. Jh. und im 12. Jh. verbreitet zu sein scheint und bei dem nur der Schwertgriff aus dem Kettenhemd hervorschaut, wie es auf dem Teppich von Bayeux und an Figuren am Hildesheimer Dom und der Kathedrale von Angouleme zu sehen ist.
Man würde eigentlich annehmen, dass ein solcher Gebrauch eher unbequem wäre, und zudem ein Gürtel das Gewicht des Kettenhemdes abnähme, aber es scheint tatsächlich eine verbreitete Trageweise gewesen zu sein.
Was die oft zu sehenden quadratischen Gebilde auf der Brust der Kettenhemden darstellen ist bis heute umstritten. Denkbar wäre ein Einschlupf für den Kopf, eine Verstärkung der Brust oder eher eine Art Latz aus Kettengeflecht, den sich der Träger als Schutz vor das Gesicht hängen konnte.
Dafür sprechen z. B. die an den Nasalen der Helme gefundenen Haken. Es gibt jedoch auch viele zeitgenössische Abbildung ohne diese Quadrate.
Zudem gab es Kettenhemden mit direkt angesetzter Haube für den Kopf, die man „Coif“ nannte, quasi eine Art Kapuzenpulli aus Kettengeflecht. Obgleich kein solches Hemd gefunden wurde, spricht der Umfang der Bildquellen eine deutliche Sprache. Daneben gab es auch Kettengeflecht, das am Helm angebracht war und als Aventail oder Helmbrünne bezeichnet wird, wobei der Begriff Aventail generell auch für den Latz gebraucht wird, den sich der Krieger vor das Gesicht zog.
Zudem waren auch separate Hauben möglich, die über das Kettenhemd und unter den Helm gezogen wurden, auch wenn es dafür nur wenige archäologische Belege und diese erst aus dem 12. Jh. gibt. Die Bildquellen machen in jedem Fall verschieden Interpretationen möglich.
Generell schein bei den Normannen zum Kettenhemd immer ein Kettenschutz des Kopfes integraler Bestandteil der Rüstung gewesen zu sein, entweder als direkt angesetzte oder separate Kettenhaube oder als Kettengeflecht des Helmes. Der Gebrauch des Kettenhemdes ohne einen solchen Kopfschutz tritt im Bildmaterial so gut wie nie auf.
Das Steppwams der Normannen
Neben dem Kettenhemd war ebenfalls das Steppwams in Gebrauch, auch als Gambeson oder Aketon bezeichnet. Das Wams bestand aus mehreren Lagen gefütterten Stoff oder Leder und war bereits im frühen Mittelalter verbreitet, denn im Gegensatz zu einem Kettenhemd war ein solches Wams erheblich preiswerter und leichter herzustellen. 4Selbst unter einem Kettenhemd war ein Steppwams sinnvoll, da es die Wucht der Schläge absorbierte, wohingegen ein Kettenhemd nur gegen Schnitte schützte.
So lautet zum Beispiel der Bericht über den Abt Engilbert im Jahre 926 n. Chr. dass sich seine Brüder gegen einen feindlichen Überfall der Ungarn auf das Kloster St. Gallen Panzer aus Filzstoffen anfertigten.
Und aus der Olafs-Saga ist bekannt, dass einige Huscarls während der Schlacht von Stiklestad im Jahre 1030 Brünnen aus Rentierfell trugen, die ebenso gut waren wir die eisernen Ringbrünnen.
Aus byzantinischen Quellen jener Zeit heißt es, dass es Panzerwämse mit kurzen, breite Ärmeln aus Baumwolle gab, die bis zu 4 cm dick sein konnten und aus mehreren Lagen Filz oder wattiertem, gestepptem Stoff bestanden.
Auf dem Teppich von Bayeux ist scheinbar auch ein solches Steppwams als Bekleidung Bischof Odos abgebildet, obgleich die meisten Krieger Kettenhemden tragen, die durch kleine Kringel erkenntlich sind. Daneben gibt es aber auch karoförmig schraffierte Rüstungen, die eher an Gambesons denken lassen.
Nach den vorliegenden Bildzeugnissen konnte die Steppung unterschiedliche Ausprägungen haben und in Form von Rauten, Quadraten oder Querlinien auftreten.
Literaturhinweise
- Byzantinische Waffen, Taxiarchis G. Kolias, Verlag der östereichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1988, ISBN 3-7001-1471-0- Catalogue of Scandinavian Mail, Sonia A. O'Connor, The Archaeology of York, Volume 17: The Small Finds, York Archaeological Trust for Excavations and Research 1992.
- Europas Mitte um 1000, Ausstellungskatalog, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1545-6
- Das Reich der Salier 1024-1125, Katalog zur Ausstellung des Landes Rheinland-Pfalz, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1992, ISBN 3-7995-4140-3
- Armour from the Battle of Wisby 1361, von Bengt Thordeman, ISBN 1-8914-4805-6
- Ring weave, A metallographical analysis of ring mail material at the Oldsaksamlingen in Oslo, Vegard Vike, Oslo 2000
- Der Mittelalterliche Reiterschild, Jan Kohlmorgen 2002, ISBN 3-935616-10-4
- Ring Mail, Breaking the Chain, Russell Scott, The Vikings 1997
Verfasst von Peer Carstens auf Grundlage einer Abhandlung von Henry Skodell, Dippoldiswalde 2013